Von Golem, Shakey und Cobots
Was die Geschichte der Roboter mit Goethes „Faust“ gemeinsam hat.
Bereits in der frühen Antike gab es erste Hinweise auf Erfindungen, die als Vorgänger der heutigen Roboter bezeichnet werden können. Heute sind autonome Roboter in der Serienfertigung nicht mehr wegzudenken. Eine technische Erfolgsgeschichte inklusive Mythen, Legenden und einer gehörigen Portion Angst. Eine Geschichte, die das ewige Thema der Menschheit, das sich selbst in Goethes Faust wiederfindet, in jeder neuen Konstruktion widerspiegelt: Den Zwiespalt zwischen dem Streben nach dem Pfad der Erkenntnis und der Angst davor eben jenen zu beschreiten.
Am Anfang war das Wort
Wer sich schon einmal gefragt hat, woher eigentlich das Wort Roboter kommt, stößt bei der Recherche auf den tschechischen Schriftsteller Karel Čapek („Tschapek“). Das internationale Wort „Roboter“ geht auf seinen Welterfolg, das Drama „R.U.R.“ (1920), zurück – die Geschichte eines fiktionalen Unternehmens, das künstliche Menschen erschafft, um unliebsame, eintönige oder gefährliche Arbeiten zu erledigen. Die Androiden in dem Science-Fiction-Roman, der zum Welterfolg wurde, hießen „Roboter“ – in Anlehnung an das westslawische Wort „robota“, was so viel wie Arbeit bedeutet.
Roboter faszinieren Menschen seit Jahrtausenden
In der westlichen Welt könnte man den griechischen Ingenieur Heron als den „Erfinder“ der Robotik-Automatisierung bezeichnen. Auch er war auf der Suche nach etwas, das seine Arbeit erleichtern könnte. Etwa um 50 vor Christus erfand er ein raffiniertes System aus Gewichten und Seilen, mit dem er bei einer Theateraufführung Wagen über die Bühne fahren ließ. Um 1205 verfasste der arabische Ingenieur Al-Jazari das „Buch des Wissens von sinnreichen, mechanischen Apparaturen“, später auch „Automata“ genannt. Er erfand unter anderem einen mechanischen Kellner, der Wein ausgießen konnte, sowie einen Händewasch-Automaten. Leonardo da Vinci soll seine Erfindungen an die Skizzen von Jazari angelehnt haben. So entwarf da Vinci im 16. Jahrhundert unter anderem einen mechanisch betriebenen Ritter. Die Umsetzung war zu Lebzeiten da Vincis technisch noch nicht möglich. Hätte er den Entwurf tatsächlich bauen können, wäre das der erste Roboter der Welt gewesen.
Mystik im frühen Mittelalter
In Mitteleuropa verbreitet sich im frühen Mittelalter der Begriff „Golem“ als Bezeichnung für ein aus unbelebter Materie und mit Buchstabenmystik zum Leben erwecktes Wesen, das gewaltige Größe und Kraft besitzt und Aufträge ausführen kann. In der Prager Variante hauchte der Rabbi Loew einem Klumpen Lehm Leben ein, nannte ihn Joseph und ließ ihn verschiedene Arbeiten verrichten. Als der Golem außer Kontrolle gerät, wird er „deaktiviert“. Der Legende nach befinden sich noch heute Überreste des Golems auf dem unzugänglichen Dachboden der Alt-Neu Synagoge in Prag. Zwar war der Golem zu Zeiten seiner Entstehung eigentlich eher der verzweifelte Versuch, einen Beschützer für die Juden zu schaffen, heute jedoch gilt die Figur als symbolische Form jeglicher, menschlicher Schöpfung, die Gutes bewirken kann, weil sie dem Menschen unbequeme, monotone oder gefährliche Arbeiten abnimmt, aber auch die Gefahr birgt, außer Kontrolle zu geraten und sich gegen seinen Schöpfer zu richten.
Hier sind wir bei einem Grundthema der Menschheit angelangt: Wer es wagt, Neuland zu betreten gewinnt und verliert zugleich. In der Literatur beschreibt es Goethe in „Faust“, als den Zwiespalt der „zwei Seelen, die ach in meiner Brust wohnen“. Auf der einen Seite streben wir nach den Sternen, während uns gleichzeitig das Schutzsystem, das uns Menschen zur Arterhaltung im Laufe der Evolution auferlegt wurde – die Angst – davon abhält. Wer sich auf den Weg der Erkenntnis begibt, schließt im übertragenen Sinne einen Pakt mit dem Teufel. Goethes Faust ist damit aktueller denn je: Die Sorge um Kontrollverlust ist in der heutigen Robotik, gerade im Hinblick auf Künstliche Intelligenz, allzu gegenwärtig.
(Lesen Sie dazu auch das Interview mit cwTec Inhaber Christoph Wenk „Wie Angst unsere Wirtschaft hemmt“.)
Die ersten realen Roboter
Im Jahr 1956 entwickelten die US-Amerikaner Joseph Engelberger und George Devol einen mechanischen Schwenkarm, der mit einem Greifer ausgestattet war. Mit dem „Unimate“ war der weltweit erste Industrieroboter geboren. Der „Arm fürs Grobe“ war programmierbar und wurde schnell für eine Reihe von Aufgaben eingesetzt. Vor allem die Automobilbranche profitierte von der Erfindung, denn der programmierbare Schwenkarm konnte diverse in der Branche nötige und für Menschen zu monotone Arbeiten, erledigen.
"Robot Hall of Fame"
Der erste Cobot wurde übrigens 1996 von J. Edward Colgate und Michael Peshkin erfunden. In den 70er Jahren nahm die Entwicklung der Roboter Fahrt auf. Um 1970 wurde der erste autonome, mobile Roboter, „Shakey“ (der Zittrige), am Stanford Research Institute, USA, entwickelt. Er war der erste Roboter, der seine Aktionen planen konnte und wurde 2004 in die „Robot Hall of Fame“ aufgenommen. Nur wenige Jahre später entwickelte ein Team an der Waseda Universität in Tokio den „Wabot 1“ – einen humanoiden Roboter.
Der eigentliche Star der Branche wurde im Jahr 2008 gegründet: die Rethink Robotics Inc. in Boston, USA (Name bei Gründung: Heartland Robotics), die nach der Übernahme der Vermögenswerte durch die HAHN Group in Rethink Robotics GmbH umgewandelt wurde. Die Vision der US-Amerikaner: eine sichere, einfach zu bedienende als auch kosteneffiziente Roboterlösung für die kollaborative Arbeit zwischen Mensch und Maschine zu konstruieren. Das Ergebnis im Jahr 2012: „Baxter“, kurz darauf von dem kleineren, wesentlich flexibleren Cobot „Sawyer“ abgelöst, von dem wir hier bei cwTec auch ein Modell besitzen. Rethink Robotics – US-amerikanische Robotik-Pioniere treffen auf „German Engineering“ und revolutionieren den Einsatz von Robotern in Forschung und Industrie.
Der erste Cobot
Einer der größten Fortschritte der Robotik in den letzten Jahren ist also die Erfindung der „Cobots“ – der kollaborativen Roboter, von denen einer auch hier bei cwTec zum Einsatz kommt. Im Rahmen eines „Lebendigen Showrooms“ – einer Kooperation mit der EmsAchse und dem Digital Hub Ostfriesland – konnten wir dieses Schaufenster für die Öffentlichkeit gestalten und Interessierten, wie zum Beispiel Schulklassen aber auch Einzelpersonen, die Möglichkeit bieten, sich mit dem Fachgebiet Robotik auseinanderzusetzen. Hier kann beobachtet werden, wir der Industrieroboter uns bei der Arbeit unterstützt.
Cobots ermöglichen es heute auch mittelständischen Unternehmen mit wenig Robotikerfahrung und verhältnismäßig kleinem Budget, eine Automatisierung durchzuführen: Schrauben, Schweißen, Montage, Sortieren, Stapeln, etc., sind jetzt bei reduzierter Fehlerquote und gleichzeitiger Schonung der Mitarbeiter möglich. Außerdem liefert ein Cobot ein unschlagbares Wertversprechen, da seine Einsatzmöglichkeiten nahezu grenzenlos sind. Hintergrund: Ein Cobot lässt sich leicht umprogrammieren und mit entsprechenden EOATs (End of Arm Tooling) versehen, um die Aufgabe zu wechseln. Ihre Einsatzgebiete sind bereits jetzt vielseitig und längst nicht mehr nur auf technische Fertigung beschränkt. Auch in Kindergärten, Restaurants, Krankenhäusern, beim Militär und vielen weiteren Bereichen kommen Cobots weltweit zum Einsatz. Die Ära, in der Roboter in gesicherten Bereichen eingesetzt werden mussten, um menschliche Mitarbeiter nicht zu gefährden, ist beendet und der „Pfad der Erkenntnis“ trotz aller Befürchtungen mutig ein Stück weiter beschritten.
Die Zukunft der Roboter und hier vor allem ihre zunehmende Autonomisierung in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz bleibt weiterhin ein spannendes Feld, das gleichermaßen mit Neugier als auch Skepsis beäugt und bewirtschaftet wird. Ein Feld mit schier endlosen Möglichkeiten. Ob und wieviel Skepsis tatsächlich notwendig ist, bleibt die Frage, die uns vor allem im Hinblick auf KI noch lange begleiten wird. Oder verhält es sich mit der Handbremse, mit der vor allem die europäische Wirtschaft in Sachen Robotik fährt, vielleicht so wie die US-Autorin Marianne Williamson es ausdrückt: „It is not the darkness that we fear most, it is the light“.
(Lesen Sie auch „Warum Angst unsere Wirtschaft lähmt“ – das Interview mit Inhaber und Geschäftsführer von cwTec, Christoph Wenk).